‚Exekutive Funktionen‘ nennen Expertinnen und Experten aus der Hirnforschung und der Psychologie die Fähigkeiten, die es uns ermöglichen, unser Verhalten zu steuern und an äußere Umstände anzupassen. Dazu gehört beispielsweise das schlussfolgernde Denken, das zielgerichtete Handeln, das Kontrollieren von Impulsen und das flexible Reagieren auf neue Situationen.1, 2
Am schnellsten schreitet die Entwicklung der exekutiven Funktionen in den ersten fünf Lebensjahren voran. In den darauffolgenden Jahren, bis in das junge Erwachsenenalter hinein, festigen sich die Fähigkeiten dann.3 Verschiedene Störungen können die Entwicklung der exekutiven Funktionen allerdings beeinträchtigen – vermutlich gehören dazu auch Schlafstörungen in der frühen Kindheit.4
Exekutive Funktionen bei Autismus
Auch bei einer Autismus-Spektrum-Störung sind die exekutiven Funktionen beeinträchtigt – man spricht von einer exekutiven Dysfunktion. Für Autistinnen und Autisten kann es z. B. schwierig sein, ihre Aufmerksamkeit gezielt auf etwas zu richten, flexibel auf äußere Umstände zu reagieren oder bestimmten sozialen Anforderungen zu entsprechen.5 Da auch Schlafstörungen bei Autismus sehr häufig sind, liegt die Frage nahe, ob hier ein Zusammenhang besteht.
Erste Langzeitstudie zu exekutiven Funktionen und Schlafstörungen bei Autismus
Ein internationales Team aus britischen, kanadischen und israelischen Forscherinnen und Forschern ging der Frage nach, ob sich Schlafprobleme bei autistischen Kindern negativ auf die späteren exekutiven Funktionen in der Schulzeit auswirken. Bei der Studie, die im englischsprachigen Fachmagazin Sleep erschien, handelt es sich um die erste Langzeituntersuchung zu dem Thema.3
217 Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung wurden mehrere Jahre lang begleitet. Der Schlaf und die exekutiven Funktionen der Kinder wurden ab einem durchschnittlichen Alter von 3,5 Jahren bis zu einem Alter von ca. 11 Jahren zu bestimmten Zeitpunkten untersucht. Für die Bewertung der Schlafstörungen wurden die Eltern der Kinder befragt, für die exekutiven Funktionen im Schulalter die Lehrerinnen und Lehrer.3
Ein Risiko: Frühkindliche Schlafstörungen können exekutive Funktionen beeinträchtigen
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten einen Zusammenhang zwischen frühen Schlafproblemen und der Beeinträchtigung einiger exekutiver Funktionen herstellen – vor allem die ‚heißen‘ exekutiven Funktionen waren hierbei betroffen.3
So konnten autistische Kinder, die im Alter zwischen 2 und 4 Jahren Probleme beim Einschlafen hatten, ihre Impulse und Emotionen im Schulalter zum Teil weniger gut kontrollieren als typisch entwickelte Kinder.
Auch Einschlafprobleme im Alter von 7 Jahren beeinflussten die Fähigkeit zur Selbstkontrolle in den darauffolgenden Jahren negativ.3
Kinder, die im Alter von etwa 7 Jahren übermäßig lange schliefen, zeigten später ebenso Probleme bei der Selbstkontrolle. Die Forschenden merkten an, dass die Zusammenhänge zwischen Schlaf und der Entwicklung der exekutiven Funktionen komplex verläuft – früh auftretende Schlafstörungen stellen insgesamt aber einen Risikofaktor für die Entwicklung der exekutiven Funktionen dar.3
Guter Schlaf ist wichtig – von Anfang an
Schlaf in der Kindheit ist von zentraler Bedeutung für die Entwicklung des Gehirns. Schlafmangel beeinträchtigt z. B. Verbindungen in bestimmten Bereichen der Großhirnrinde – Bereiche, die für die Entwicklung der exekutiven Funktionen benötigt werden und die sich bei Menschen mit Autismus anders entwickeln.3
Um die genauen Zusammenhänge zwischen Schlaf, exekutiven Funktionen und Autismus besser zu verstehen, sind laut der Studie weitere Forschungsarbeiten nötig. Dennoch ist ein guter Schlaf, möglichst schon in der frühen Kindheit, sehr wichtig für Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung. Schlafstörungen sollten so früh wie möglich diagnostiziert und behandelt werden.3, 6 Ratschläge und Tipps für einen besseren Schlaf bei Autismus liefert unsere Infoseite über Hilfe bei Schlafproblemen.